Neues Urteil im Dieselskandal

Ein neues Urteil des BGH nimmt Einfluss auf den Rechtsprechung zum Dieselskandal bei Volkswagen. Es besagt im Kern, dass diejenigen Besitzer eines VW Diesel, die vom Abgasskandal betroffen sind, aber nicht rechtzeitig gegen den Konzern geklagt haben, dennoch Anspruch auf eine finanzielle Entschädigung haben könnten.

Der BGH stellte in seinem Urteil (21.02.2022, Az.: VIa ZR 8/21) fest, dass auch Käufer*innen eines neuen VW ab dem Sommer 2012 heute noch Schadensersatz einklagen können.

Was ist das Besondere am Urteil des BGH?

Das Besondere an diesem Urteil gegen Volkswagen betrifft die faktische Aufhebung der Verjährungsfrist. Hintergrund ergibt sich aus dem sogenannten Restschadensersatz, den Geschädigte auch nach einer eingetretenen Verjährung fordern können.

Das konkrete Urteil betrifft Fahrer eines VW mit dem Motor EA189, jedoch gehen Experten davon aus, dass es sich auch auf andere Fahrzeuge von Volkswagen anwenden lässt. Es ist den Fahrern eines VW Diesel nun zu raten, ihre Ansprüche mit einer Individualklage durchzusetzen.

Berechtigt sind diese Ansprüche, da die Auswirkungen durch den Dieselskandal für jeden einzelnen Fahrer enorm sind: Die Geschädigten müssen mit Fahrverboten, Stilllegungen und massiven Wertverlusten rechnen. Die Chancen auf eine Entschädigung sind nach der jüngsten Entscheidung des BGH wohl sehr gut.

Bisherige Verjährungsfrist im Dieselskandal von Volkswagen

Im Jahr 2019 hatte der Bundesgerichtshof mit mehreren Urteilen zum Dieselskandal eine Verjährung der Ansprüche von Betroffenen nach drei Jahren festgestellt, wie es der § 826 BGB bei vorsätzlichen Schädigungen vorsieht.

Diese Entscheidungen galten als verbraucherunfreundlich. Das geht unter anderem aus dem Urteil mit dem Aktenzeichen VII ZR 365/21 hervor. Demnach wären die Schadensersatzansprüche Ende 2019 verjährt.

Volkswagen wäre damit recht glimpflich davongekommen, was unter Betroffenen und Verbraucherschützern Empörung ausgelöst hatte. Mit seinem jüngsten Urteil setzt der BGH nun neue Maßstäbe. Juristisch geht es darum, dass sich die bisherigen Entscheidungen nur auf gebrauchte Pkw bezogen hatten.

Bei Neuwagen jedoch greift der Restschadensersatzanspruch gemäß § 852 BGB, der erst zehn Jahre nach dem Kauf erlischt. Mit dieser Rechtsprechung können alle Fahrer eines VW Diesel im Jahr 2022 noch auf Entschädigung hoffen, die den Wagen bis 2021 gekauft haben.

Anspruch auch bei Nichtbeteiligung an der Musterfeststellungsklage

In den Jahren nach dem Bekanntwerden des Dieselskandals waren Besitzer eines VW gehalten, an einer Musterfeststellungsklage teilzunehmen, um den Schadensersatz einfordern zu können. Der BGH stellte nun fest, dass dies nicht erforderlich ist, um immer noch den Großteil des Kaufpreises eines Neuwagens rückwirkend bis 2012 einfordern zu können.

Es geht beim Restschadensersatzanspruch prinzipiell um sittenwidrig erlangte finanzielle Vorteile für einen Verkäufer, der den Käufer getäuscht hat. Dieser Vorteil ist im Falle von Volkswagen der gezahlte Kaufpreis.

Offenkundig muss der Konzern diesen bei einer Klage auf Restschadensersatz beinahe vollständig zurückzahlen. Nicht einmal die Produktions- und Bereitstellungskosten kann sich der Hersteller nach Auffassung des BGH anrechnen lassen, weil er sich böswillig bereichert hat. Lediglich die gefahrenen Kilometer werden per Nutzungsentschädigung angerechnet. Da jedoch der Kaufpreis eines Neuwagens sehr hoch ist, dürfte auch der Schadensersatz im Einzelfall vergleichsweise hoch ausfallen – die Klage lohnt sich also.

Klärung der Schadensersatzhöhe in Koblenz und Oldenburg

Es lagen beim BGH zwei Verfahren der Oberlandesgerichte Koblenz und Oldenburg vor, die nun an diese zurückverwiesen werden. Die dortigen Richter werden die Höhe der Nutzungsentschädigung feststellen, um den exakten Schadensersatzanspruch der Kläger zu prüfen. Danach dürften weitere Klagen von Betroffenen folgen.

Offenkundig kann VW in sehr unterschiedlichen Konstellationen in Anspruch genommen werden. Verbraucher sollten nicht zögern, ihre Rechte dementsprechend einzufordern.

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