Aus dem Arbeitsrecht – Arbeitszeitbetrug. Raucherpause während der Arbeitszeit ohne Ausstempeln. Fristlose Kündigung

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„Besteht in einem Unternehmen eine ausdrückliche Pflicht zum Ausstempeln während einer Raucherpause, können Verstöße hiergegen eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Es besteht kein Anspruch auf bezahlte Raucherpausen während der Arbeitszeit, da Arbeitnehmer während einer Zigarettenpause keine Arbeitsleistung erbringen. Ein Arbeitnehmer kann das Nichtabstempeln der Raucherpausen nicht mit seiner Nikotinabhängigkeit entschuldigen. Vor einer Kündigung muss der Arbeitgeber keine Raucherentwöhnung anbieten.“ So lauten die redaktionellen Leitsätze bei Beck-online.de in Bezug auf das Urteil des LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.05.2010 – 10 Sa 712/09 (ArbG Koblenz 23.10.2009 – 2 Ca 41/09).

Quelle: Beck-online.de

Haupt-Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung – Ein rechtlicher Überblick

„Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die erforderliche Überprüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund in diesem Sinne darstellt, vollzieht sich zweistufig: Im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht“, so das LAG Rheinland-Pfalz in seiner Urteilsbegründung ausführend.

Quelle: Beck-online.de

Arbeitnehmer hätte wegen der Raucherpause „ausstempeln“ müssen

LAG Rheinland-Pfalz: „Nach dem Ergebnis der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der mündlichen Verhandlung steht zur vollen Überzeugung der Berufungskammer fest, dass der Kläger am 15.12.2008 eine Raucherpause eingelegt hat, ohne das Zeiterfassungsgerät zu bedienen. Dadurch hat er die Beklagte zu 2) veranlasst, ihm Arbeitsentgelt zu zahlen, ohne die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Die Erbringung der Arbeitsleistung in der geschuldeten Zeit ist die Hauptpflicht, die der Arbeitnehmer schuldet. Verstöße in diesem Bereich berühren den Kernbereich des gegenseitigen Austauschverhältnisses.“

Quelle: Beck-online.de

Vorhalt des Arbeitnehmers: er müsse nicht ausstempeln – zeigt sein fehlendes Unrechtsbewusstsein und spricht für die Wiederholungsgefahr des Missbrauchs

LAG Rheinland-Pfalz: „Die Zeugin A., die bei der Beklagten zu 2) als Reinigungskraft beschäftigt ist, hat während ihrer Vernehmung bekundet, dass sie am 15.12.2008 selbst eine Zigarettenpause eingelegt hat. Sie habe den Kläger in der Raucherzone am Aschenbecher getroffen. Der Kläger habe dort eine Zigarette geraucht. Sie habe den Kläger gefragt: „Hast du auch ausgestempelt?“ Der Kläger habe ihr geantwortet: „Nein, habe ich nicht. Das ist auch egal, ich bin eh ein Freund vom Chef.“

Quelle: Beck-online.de

Nikotinabhängigkeit: – kein Rechtfertigungsgrund nicht auszustempeln

LAG Rheinland-Pfalz: „Der Kläger kann das Nichtabstempeln der Raucherpausen nicht mit seiner Nikotinabhängigkeit entschuldigen. Auch wenn ein Raucher „von Zeit zu Zeit der Auffrischung des Nikontinspiegels“ bedarf, bedeutet dies nicht, dass es ihm suchtbedingt unmöglich ist, die Stempeluhr zu betätigen. Entgegen der Ansicht des Klägers war die Beklagte zu 2) vor Ausspruch der Kündigung nicht verpflichtet, mit ihm zu erörtern, wie seiner Nikotinsucht entgegengewirkt werden könnte. Die Beklagte zu 2) musste dem Kläger keine Hilfsmaßnahmen zur Raucherentwöhnung anbieten, bevor sie ihm aus verhaltensbedingten Gründen wegen Nichteinhaltung der Stempelpflicht bei Zigarettenpausen kündigt.“

Quelle: Beck-online.de

Interessenabwägung fällt zum Nachteil des Arbeitnehmers aus

LAG Rheinland-Pfalz:

„Im Rahmen der stets gebotenen Interessenabwägung überwiegt im Ergebnis das Interesse der Beklagten zu 2) an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Fortsetzungsinteresse des Klägers. Zwar stellt die außerordentliche Kündigung im Hinblick auf die damit verbundenen Folgen für den Kläger eine erhebliche Härte dar.

Zu Gunsten des Klägers sprechen die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit von acht Jahren seit dem 01.12.2000 sowie seine Unterhaltspflichten gegenüber der getrennt lebenden Ehefrau und einem Kind. Der Kläger war bei Zugang der Kündigung 34 Jahre alt und damit in einem Lebensalter, in dem es ihm gelingt, einen neuen Arbeitsplatz zu finden.

Zu Lasten des Klägers fällt ins Gewicht, dass das Arbeitsverhältnis seit Jahren nicht beanstandungsfrei verlaufen ist, wie die insgesamt sechs Abmahnungen seit 2002 und der Ausspruch der ordentlichen Kündigung vom 31.07.2007 zeigen, die die Beklagte zu 2) allerdings wieder „zurückgenommen“ hat.

Der Kläger ist mehrfach darauf hingewiesen worden, dass er Zigarettenpausen abzustempeln hat, er hat dies „hoch und heilig“ (so die Zeugin B.) versprochen…Es ist deshalb ein berechtigtes Interesse der Beklagten zu 2) anzuerkennen, im Interesse der Betriebsdisziplin auf das Nichtausstempeln von Zigarettenpausen hart zu reagieren. In Ansehung all dieser Umstände war es der Beklagten zu 2) nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist, die gemäß § 622 Abs. 2 Nr. 3 BGB am 31.03.2009 endete, fortzusetzen.“

Quelle: Beck-online.de

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Kündigungsschutzklage eingereicht? Was nun? Der Ablauf im Überblick!

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Was tun bei Erhalt einer Kündigung?

– Frist
– Zuständiges Arbeitsgericht
– Anwalt nehmen oder selbst vertreten?

1. Frist

Nachdem Sie eine Kündigung erhalten haben, müssen Sie einen klaren Kopf bewahren, denn die Zeit ist ein wichtiger Faktor. Wenn Sie eine Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung Ihres Arbeitgebers erheben wollen, muss diese innerhalb von drei Wochen nach Kündigung beim zuständigen Arbeitsgericht eingegangen sein.

Bei Versäumen dieser Frist gilt die Kündigung als rechtswirksam. Es gibt jedoch Ausnahmefälle für die jedoch strenge Vorschriften gelten.

2. Zuständiges Arbeitsgericht

Die Kündigungsschutzklage muss schriftlich beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht werden. Ist der Arbeitgeber eine natürliche Person, so handelt es sich bei der Gerichtswahl um den Wohnort dieser Person.

Handelt es sich jedoch um eine juristische Person (GmbH, AG) oder eine Personengesellschaft (oHG oder KG) dann ist der Unternehmenssitz entscheidend für die Auswahl des zuständigen Gerichts.

3. Anwalt nehmen oder selbst vertreten?

Durch eine Kündigungsschutzklage haben Sie die Chance auf eine Abfindung. Außerdem können Sie durch einem Vergleich Ihren Ruf wiederherstellen. Wegen der Schwierigkeiten des Kündigungsschutzgesetztes sollten Sie sich zumindest anwaltlich über die Erfolgsaussichten Ihrer Klage beraten lassen.

Natürlich können Sie sich auch selbst vertreten, denn das Gesetz sieht hier keine Anwaltspflicht vor. Dafür müssen Sie selbstständig die Klage beim Arbeitsgericht einreichen und sich ebenfalls im Kündigungsschutzprozess selbst vertreten.

Sie sollten sich jedoch vorher gut informieren, um bessere Erfolgschancen zu haben.

Gerne beraten wir Sie hierbei, denn ein Anwalt hat jahrelange Erfahrung in diesem Bereich und kann Ihnen auch Ihre Erfolgschancen aufzeigen. Sie sparen dadurch Zeit, Geld und vor Allem Nerven!

4. Was passiert nachdem die Kündigungsschutzklage eingereicht wurde?

Nachdem die Kündigungsschutzklage beim zuständigen Gericht innerhalb der entsprechenden Frist eingereicht wurde, ist der Ablauf immer gleich. Die Dauer kann jedoch höchst unterschiedlich sein von Fall zu Fall, das hängt davon ab, wie die beiden Parteien handeln:

Können sich beide Parteien bereits zu einem frühen Zeitpunkt gütlich einigen, so kann das Ergebnis sogar schon nach zwei Wochen feststehen. Einigen sich die Parteien jedoch nicht und sind daher mehrere Verhandlungstermine notwendig, so kann es auch mehr als ein Jahr dauern.

Folgende Schritte sind möglich:

– Klageeinreichung
– Klagezustellung
– Güteverhandlung
– Kammertermin
– Beweisaufnahme – zweiter Kammertermin
– Urteil

5. Klageeinreichung

Die Kündigungsschutzklage wird rechtzeitig beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht.

6. Klagezustellung

Das zuständige Arbeitsgericht stellt dem Beklagten die beglaubigte Abschrift der Kündigungsschutzklage zu. Der Beklagte ist in diesem Fall Ihr Arbeitgeber. Sie sind der Kläger.

7. Güteverhandlung

Oft ist nach der Güteverhandlung der Prozess beendet. In diesem Fall einigen sich der Beklagte und der Kläger gütlich auf einen Vergleich.
Beide Parteien erhalten eine Ladung für die Güteverhandlung.

Im Falle, dass das Gericht Ihr persönliches Erscheinen anordnet, müssen Sie teilnehmen, anderenfalls können Sie einen Vertreter schicken, zum Beispiel Ihren Anwalt.

8. Kammertermin

Hierbei handelt es sich um eine mündliche Verhandlung mit dem Ziel einen Vergleich zu erzielen. Diese kommt in dem Falle zustande, wenn es bei der Güteverhandlung zu keinem Vergleich gekommen ist.

In diesem Fall ordnet der Richter einen Kammertermin an. Bis zu diesem Termin vergehen teilweise bis zu zwölf Monaten.
Anwesend sind zusätzlich bei dem Kammertermin zwei ehrenamtliche Richter (einer von der Arbeitgeberseite und einer von der Arbeitnehmerseite).

9. Beweisaufnahme – zweiter Kammertermin

Sollte der erste Kammertermin zu keinem Ergebnis kommen, kann es bei dem zweiten Kammertermin zur Beweisaufnahme kommen. In diesem Fall werden Zeugen vernommen oder Sachverständige angehört.

10. Urteil

Bei der Urteilsverkündung entscheidet das Gericht, ob die Kündigung wirksam ist oder nicht. Wenn der Kündigungsschutzprozess in der ersten Instanz verloren wird, so kann Berufung eingelegt werden innerhalb einer bestimmten Frist.

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Unzumutbarkeit – Auflösungsantrag des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess

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Stellt das Gericht fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer ein Fortsetzen des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, muss das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis auflösen und den Arbeitgeber verurteilen, eine angemessene Abfindung zu zahlen. So hat es jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg entschieden.

Es kommt auf die Unzumutbarkeit an

Dieser Grundsatz folgt aus dem Kündigungsschutzgesetz (hier: § 9 Abs. 1 S. 1 KSchG). In entsprechenden Fällen ist meist die Frage der Unzumutbarkeit ausschlaggebend.

Dazu hat das LAG entschieden: Die gegen den Arbeitnehmer zum Ausdruck kommende, durch geänderte und schlechte Arbeitsbedingungen bei der Erfüllung des Weiterbeschäftigungsanspruchs gekennzeichnete feindselige Haltung des Arbeitgebers kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitnehmers rechtfertigen.

Das war geschehen

In dem Fall des LAG war der Arbeitgeber in erster Instanz zur Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers verurteilt worden.

Während des Berufungsverfahrens hatte er ihm die bisherigen Aufgaben nicht mehr zugewiesen. Er hat ihn vielmehr in eine andere Niederlassung versetzt.

„Feindliche Haltung“ des Geschäftsführers

Die Begründung hierfür überzeugte das LAG in keiner Weise. Er hätte auch den im Lauf der Arbeitsunfähigkeit oder des Kündigungsschutzprozesses mit den ursprünglichen Aufgaben des Arbeitnehmers betrauten Mitarbeiter in die andere Niederlassung versetzen können.

Das LAG hat in der Befragung und Diskussion mit dem Geschäftsführer zudem den nachhaltigen Eindruck gewonnen, dass dieser die angedeutete Entscheidung der Arbeitsgerichte über die Kündigung nicht nachvollziehen kann und dass er dies den Arbeitnehmer weiterhin spüren lassen wird.

Dem entspricht, dass er von einem Vertrauensverlust gegenüber dem Arbeitnehmer allein deswegen ausgeht, weil dieser den Firmenlaptop nicht sofort zurückgegeben hat.

Der Arbeitnehmer kann bei einer derart feindlichen Haltung des Geschäftsführers nach der Überzeugung des LAG nicht damit rechnen, dass in Zukunft eine störungsfreie Weiterarbeit und ein unbelastetes Miteinander möglich ist. Dies rechtfertigt die Auflösung auf seinen Antrag hin.

Quelle | LAG Nürnberg, Urteil vom 29.11.2022, 1 Sa 250/22

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Online-Möbelhaus: Keine Sonntagsarbeit im Kundenservice

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Ein Möbelvertrieb, der seine Produkte ausschließlich im Internet anbietet, darf Arbeitnehmer im Kundenservice in Deutschland an Sonn- und Feiertagen nicht beschäftigen. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden. 

Voraussetzung für Ausnahmebewilligung lagen nicht vor

Die Klägerin vertreibt Möbel und Einrichtungsgegenstände im Internet. In Deutschland beschäftigt sie 1.635 Arbeitnehmer, wovon 215 im Kundenservice tätig sind, davon wiederum sieben im Bundesland Sachsen.

Der Kundenservice wird gegenwärtig an Sonn- und Feiertagen vor allem durch deutschsprachige Beschäftigte in Callcentern in Polen und Irland erbracht.

Den Antrag der Klägerin, ihr ausnahmsweise Sonn- und Feiertagsarbeit für bis zu 14 Beschäftigte im Kundenservice im Homeoffice in Sachsen zu bewilligen, lehnte das hierfür zuständige Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit ab.

Zur Begründung hieß es, die Klägerin nutze die gesetzlich zulässigen Betriebszeiten nicht weitgehend aus. Das sei aber Voraussetzung für die Ausnahmebewilligung.

Konkurrenzfähigkeit beeinträchtigt?

Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben.

Sie meint, der Begriff der weitgehenden Ausnutzung der Betriebszeiten müsse im Dienstleistungsbereich, insbesondere im Online-Handel, so verstanden werden, dass nur die betriebswirtschaftlich sinnvollen Zeiten – in ihrem Fall 90 Stunden pro Woche – angesetzt würden. Diese würde sie weitgehend ausnutzen. Es sei nicht sinnvoll, telefonischen Kundenservice nachts anzubieten, weil es dafür keine Nachfrage gebe.

Ihre Kunden seien es gewohnt, den Kundenservice auch sonntags zu erreichen. Sei dies nicht mehr der Fall, würden die Kunden zu Konkurrenten abwandern. Damit sei auch ihre Konkurrenzfähigkeit beeinträchtigt.

Das VG hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin könne die begehrte Ausnahmebewilligung nicht verlangen.

Zwar erlaube das Arbeitszeitgesetz ausnahmsweise Sonn- und Feiertagsbeschäftigungen, wenn bei einer weitgehenden Ausnutzung der gesetzlich zulässigen wöchentlichen Betriebszeiten und bei längeren Betriebszeiten im Ausland die Konkurrenzfähigkeit unzumutbar beeinträchtigt sei und durch die Genehmigung von Sonn- und Feiertagsarbeit die Beschäftigung gesichert werden könne.

Im Fall der Klägerin fehle es aber bereits an einer weitgehenden Ausnutzung der zulässigen Betriebszeit, die grundsätzlich 144 Stunden betrage.

Dies sei bei der wöchentlichen Betriebszeit der Klägerin von 90 Stunden, was nur etwa 63 Prozent entspreche, nicht der Fall.

Insoweit sei der Wortlaut des Arbeitszeitgesetzes eindeutig, und ein solches Verständnis stehe auch im Einklang mit dessen Sinn und Zweck sowie der Systematik.

Die Bestimmung des Arbeitszeitgesetzes sei Ausprägung des verfassungsrechtlich verankerten Schutzes der Sonn- und Feiertagsruhe. Ausnahmen hiervon seien nur in besonderen Fällen gestattet.

Im Übrigen sei es der Klägerin ohne Weiteres zumutbar, telefonische Auskünfte nur an Werktagen zu erteilen, zumal ihre Kunden Käufe durchgehend tätigen könnten. Auf die Frage der Beeinträchtigung ihrer Konkurrenzfähigkeit komme es daher nicht an.

Gegen das Urteil ist der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg möglich.

Quelle | VG Berlin, Urteil vom 27.4.2023, VG 4 K 311/22, PM 21/23

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Vergütungsfortzahlung und Freistellung – Was Arbeitnehmer nachweisen müssen

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Wer sich auf eine dauerhafte und bezahlte Freistellung beruft, muss diese nachweisen. Einen solchen Nachweis konnte ein Arbeitnehmer in einem aktuellen Fall des Landesarbeitsgerichts (LAG) Düsseldorf nicht erbringen. 

Das war geschehen

Der Kläger war seit 1994 im Bereich der Grünpflege bei der beklagten Stadt tätig. Er war einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt und tarifvertraglich ordentlich unkündbar.

Er verdiente zuletzt monatlich 3.200 Euro brutto. Im Jahr 2015 erfolgte eine Abordnung zum Ordnungsamt. Mit einstweiligem Verfügungsverfahren erreichte der Kläger, dass die Abordnung Ende 2015 unter der Voraussetzung einer vertrauensärztlichen Untersuchung nicht endete.

Die Stadt teilte dem Kläger daraufhin mit, dass, sofern er seine Arbeitskraft nach Beendigung seiner Arbeitsunfähigkeit anbiete, diese bis auf Widerruf nicht angenommen werde, insbesondere nicht vor dem Vorliegen des amtsärztlichen Untersuchungsergebnisses.

Es werde auf das persönliche Anbieten der Arbeitsleistung verzichtet und der Arbeitswille unterstellt. Gleichzeitig zahlte die Stadt eine Vergütung nach den Grundsätzen des Annahmeverzugslohns.

Ein Versetzungsantrag des Klägers an das Ordnungsamt scheiterte. Im November 2017 bot die Stadt dem Kläger eine Einsatzmöglichkeit im Amt für Straßen und Verkehr an.

Trotz mehrfacher Versuche kam es nicht zu einem Gespräch zwischen dem Kläger und der Stadt.

In einem weiteren gerichtlichen Verfahren vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Essen erklärte die Stadt nochmals, dass eine Tätigkeit im Bereich Straßen und Verkehr für den Kläger vorhanden sei. Das Verfahren wurde ruhend gestellt und der Kläger nahm einen Termin zum Kennenlernen wahr.

Dieser verlief negativ. Nach der Vorstellung des Klägers in einem Museum im Frühjahr 2018 kam es dort zu keiner Einstellung.

Der Kläger ist seitdem unbeschäftigt. Er erhielt gleichwohl fortlaufend seine vereinbarte Vergütung. Die Stadt forderte den Kläger Anfang 2022 auf, im Rathaus zu erscheinen, um über seine weitere Tätigkeit zu sprechen. Hierzu wurde kein Einvernehmen erzielt.

Das wollte der Kläger

Der Kläger hat mit der Klage begehrt, festzustellen, dass er seitens der Stadt unwiderruflich und unter Fortzahlung seiner Vergütung freigestellt worden sei.

Der für ihn zuständige Sachgebietsleiter habe dies bereits im Februar 2018 erklärt. Er habe ausdrücklich nachgefragt, wie lange dies dauern solle.

Der Sachgebietsleiter habe geantwortet, dass dies dauerhaft und unwiderruflich sei. Er brauche auch keine weiteren arbeitsgerichtlichen Verfahren mehr zu führen.

Dem hat die Stadt widersprochen. Eine entsprechende Zusage habe es nicht gegeben. Hierzu sei der Sachgebietsleiter zudem nicht befugt gewesen.

Außerdem würden Personalgespräche bei ihr auf Arbeitgeberseite grundsätzlich durch zwei Personen geführt.

Arbeitsgericht wies Klage ab

Das ArbG hat die Klage abgewiesen.

Die Abrede zu einer dauerhaften unwiderruflichen Freistellung mit Fortzahlung der Vergütung habe der Kläger nach Vernehmung einer Zeugin, einer Bekannten des Klägers, und eines Zeugen, des Sachgebietsleiters, nicht beweisen können.

Landesarbeitsgericht bestätigt Arbeitsgericht

Nachdem der Kläger den im ersten Kammertermin vor dem LAG geschlossenen Vergleich fristgerecht widerrufen hatte, hat es nun in der Sache entschieden.

Es hat die gegen das Urteil des ArbG gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen.

Seine Entscheidung ist damit rechtskräftig.

Das LAG hat insbesondere die Beweiswürdigung des ArbG nicht beanstandet. Im Übrigen, so das LAG, war die behauptete Erklärung bei Würdigung aller Umstände ohnehin nicht im Sinne einer Freistellung zu verstehen, die tatsächlich unwiderruflich war. Und weiter fehlte es an der erforderlichen Vollmacht des Sachgebietsleiters zu der vom Kläger behaupteten Erklärung.

Quelle | LAG Düsseldorf, Urteil vom 2.5.2023, 8 Sa 594/22, PM 17/23

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Bundesarbeitsgericht führt aus – Gleiches Entgelt für Frauen und Männer

Das war geschehen – der Sachverhalt in Kürze:

Die Klägerin ist seit dem 1.3.2017 bei der Beklagten als Außendienstmitarbeiterin im Vertrieb beschäftigt. Ihr einzelvertraglich vereinbartes Grundentgelt betrug anfangs 3.500 Euro brutto. Seit dem 1.8.2018 richtete sich ihre Vergütung nach einem Haustarifvertrag, der u. a. die Einführung eines neuen Eingruppierungssystems regelte.

Die für die Tätigkeit der Klägerin maßgebliche Entgeltgruppe des Haustarifvertrags sah ein Grundentgelt von 4.140 Euro brutto vor. Im Haustarifvertrag heißt es: “Für den Fall, dass das neue tarifliche Grundentgelt das bisherige tarifliche Entgelt (…) überschreitet, erfolgt die Anpassung um nicht mehr als 120 Euro/brutto in den Jahren 2018 bis 2020“ (Deckelungsregelung). Infolge dieser Bestimmung zahlte die Beklagte der Klägerin seit dem 1.8.2018 ein Grundentgelt von 3.620 Euro brutto, das in jährlichen Schritten weiter angehoben werden sollte.

Neben der Klägerin waren als Außendienstmitarbeiter im Vertrieb der Beklagten zwei männliche Arbeitnehmer beschäftigt, einer davon seit dem 1.1.2017. Die Beklagte hatte auch diesem Arbeitnehmer ein Grundentgelt von 3.500 Euro brutto angeboten, was dieser jedoch ablehnte.

Er verlangte für die Zeit bis zum Einsetzen einer zusätzlichen leistungsabhängigen Vergütung, d. h. für die Zeit bis zum 31.10.2018, ein höheres Grundentgelt von 4.500 Euro brutto.

Die Beklagte gab dieser Forderung nach. Nachdem die Beklagte dem Arbeitnehmer in der Zeit von November 2017 bis Juni 2018 – wie auch der Klägerin – ein Grundentgelt von 3.500 Euro gezahlt hatte, vereinbarte sie mit diesem ab dem 1.7.2018 eine Erhöhung des Grundentgelts auf 4.000 Euro brutto.

Sie begründete dies damit, dass der Arbeitnehmer einer ausgeschiedenen, besser vergüteten Vertriebsmitarbeiterin nachgefolgt sei. Ab dem 1.8.2018 zahlte die Beklagte dem männlichen Arbeitnehmer ein tarifvertragliches Grundentgelt nach derselben Entgeltgruppe wie der Klägerin, das gemäß der „Deckelungsregelung“ des Haustarifvertrags 4.120 Euro brutto betrug.

Arbeitnehmerin scheiterte in den Vorinstanzen

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten rückständige Vergütung für die Zeit von März bis Oktober 2017 von monatlich 1.000 Euro brutto, rückständige Vergütung für den Monat Juli 2017 von 500 Euro brutto sowie rückständige Vergütung für die Zeit von August 2018 bis Juli 2019 von monatlich 500 Euro brutto.

Sie meint, die Beklagte müsse ihr ein ebenso hohes Grundentgelt zahlen wie ihrem fast zeitgleich eingestellten männlichen Kollegen. Dies folge daraus, dass sie die gleiche Arbeit wie ihr männlicher Kollege verrichte. Wegen der Benachteiligung aufgrund des Geschlechts schulde sie ihr zudem die Zahlung einer angemessenen Entschädigung von mindestens 6.000 Euro. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Erfolg vor dem Bundesarbeitsgericht

Die Revision der Klägerin hatte vor dem BAG ganz überwiegend Erfolg. Der Arbeitgeber hat die Arbeitnehmerin in der Zeit von März bis Oktober 2017 sowie im Juli 2018 dadurch aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt, dass sie ihr, obgleich die Klägerin und der männliche Kollege gleiche Arbeit verrichteten, ein niedrigeres Grundentgelt gezahlt hat als dem männlichen Kollegen.

Die Klägerin hat deshalb einen Anspruch auf das gleiche Grundentgelt wie ihr männlicher Kollege. Der Umstand, dass die Klägerin für die gleiche Arbeit ein niedrigeres Grundentgelt erhalten hat als ihr männlicher Kollege, begründet die Vermutung, dass die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts erfolgt ist.

Der Beklagten ist es nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen. Insbesondere kann sich die Beklagte für den Zeitraum von März bis Oktober 2017 nicht mit Erfolg darauf berufen, das höhere Grundentgelt des männlichen Kollegen beruhe nicht auf dem Geschlecht, sondern auf dem Umstand, dass dieser ein höheres Entgelt ausgehandelt habe.

Für den Monat Juli 2018 kann die Beklagte die Vermutung der Entgeltbenachteiligung aufgrund des Geschlechts insbesondere nicht mit der Begründung widerlegen, der Arbeitnehmer sei einer besser vergüteten ausgeschiedenen Arbeitnehmerin nachgefolgt.

Anspruch auf höheres Entgelt und Entschädigung wegen Benachteiligung

Für den Zeitraum seit dem 1.8.2018 ergibt sich der höhere Entgeltanspruch der Klägerin bereits aus dem Tarifvertrag. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die „Deckelungsregelung“ auf die Klägerin nicht anwendbar, weil diese zuvor kein tarifliches, sondern ein einzelvertraglich vereinbartes Entgelt erhalten hat. Das BAG hat dem auf Zahlung einer Entschädigung gerichteten Antrag der Klägerin teilweise entsprochen. Er hat ihr eine Entschädigung wegen einer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts von 2.000 Euro zugesprochen.

Quelle | BAG, Urteil vom 16.2.2023, 8 AZR 450/21, PM 10/23

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Ungleichbehandlung: Unterschiedlich hohe tarifliche Nachtzuschläge sind zulässig

| Eine Regelung in einem Tarifvertrag, die für unregelmäßige Nachtarbeit einen höheren Zuschlag vorsieht als für regelmäßige Nachtarbeit, verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, wenn ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung gegeben ist, der aus dem Tarifvertrag erkennbar sein muss. Ein solcher kann darin liegen, dass mit dem höheren Zuschlag neben den spezifischen Belastungen durch die Nachtarbeit auch die Belastungen durch die geringere Planbarkeit eines Arbeitseinsatzes in unregelmäßiger Nachtarbeit ausgeglichen werden sollen. So hat es jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. |

Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz?
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Getränkeindustrie. Die Klägerin leistete dort im Streitzeitraum Nachtarbeit im Rahmen eines Wechselschichtmodells. Im Arbeitsverhältnis der Parteien gilt der Manteltarifvertrag zwischen dem Verband der Erfrischungsgetränke-Industrie Berlin und Region Ost e.V. und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten Hauptverwaltung vom 24. März 1998 (MTV). Der MTV regelt, dass der Zuschlag zum Stundenentgelt für regelmäßige Nachtarbeit 20 % und für unregelmäßige Nachtarbeit 50 % beträgt. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die Dauernachtarbeit leisten oder in einem 3-Schicht-Wechsel eingesetzt werden, haben daneben für je 20 geleistete Nachtschichten Anspruch auf einen Tag Schichtfreizeit. Die Klägerin erhielt für die von ihr geleistete regelmäßige Nachtschichtarbeit den Zuschlag i. H. v. 20 %. Sie ist der Auffassung, die unterschiedliche Höhe der Nachtarbeitszuschläge verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung bestehe unter dem Aspekt des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, auf den es allein ankomme, nicht. Der Anspruch auf Schichtfreizeit beseitige die Ungleichbehandlung nicht, da damit nicht die spezifischen Belastungen durch die Nachtarbeit ausgeglichen würden. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin weitere Nachtarbeitszuschläge in Höhe der Differenz zwischen dem Zuschlag für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit.

Sachlicher Grund für Ungleichbehandlung gegeben
Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat auf die Berufung der Klägerin das Urteil des ArbG geändert und der Klage teilweise stattgegeben. Nun hatte die Revision der Beklagten vor dem BAG Erfolg. Die Regelung im MTV zu unterschiedlich hohen Zuschlägen für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz. Arbeitnehmer, die regelmäßige bzw. unregelmäßige Nachtarbeit im Tarifsinn leisten, sind zwar miteinander vergleichbar. Auch werden sie ungleich behandelt, indem für unregelmäßige Nachtarbeit ein höherer Zuschlag gezahlt wird als für regelmäßige Nachtarbeit.

Für diese Ungleichbehandlung ist vorliegend aber ein aus dem Tarifvertrag erkennbarer sachlicher Grund gegeben. Der MTV beinhaltet zunächst einen angemessenen Ausgleich für die gesundheitlichen Belastungen sowohl durch regelmäßige als auch durch unregelmäßige Nachtarbeit und hat damit Vorrang vor dem gesetzlichen Anspruch auf einen Nachtarbeitszuschlag nach dem Arbeitszeitgesetz (hier: § 6 Abs. 5 ArbZG).

Tarifvertragsparteien haben Gestaltungsspielraum
Daneben bezweckt der MTV aber auch, Belastungen für die Beschäftigten, die unregelmäßige Nachtarbeit leisten, wegen der schlechteren Planbarkeit dieser Art der Arbeitseinsätze auszugleichen. Den Tarifvertragsparteien ist es im Rahmen der Tarifautonomie nicht verwehrt, mit einem Nachtarbeitszuschlag neben dem Schutz der Gesundheit weitere Zwecke zu verfolgen. Dieser weitere Zweck ergibt sich aus dem Inhalt der Bestimmungen des MTV. Eine Angemessenheitsprüfung im Hinblick auf die Höhe der Differenz der Zuschläge erfolgt nicht. Es liegt im Ermessen der Tarifvertragsparteien, wie sie den Aspekt der schlechteren Planbarkeit für die Beschäftigten, die unregelmäßige Nachtarbeit leisten, finanziell bewerten und ausgleichen.

Quelle | BAG, Urteil vom 22.2.2023, 10 AZR 332/20, PM 11/23

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Gesetzliche Unfallversicherung: Sturz mit Inlineskates bei einem Firmenlauf

| Eine Arbeitnehmerin steht nicht als Beschäftigte unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn sie bei einem Firmenlauf auf Inlineskates stürzt und sich dabei verletzt. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg jetzt entschieden. |

Kein Zusammenhang mit der Beschäftigung
Das LSG: Der Unfall habe sich nicht bei einer Aktivität ereignet, die mit der Beschäftigung in einem engen rechtlichen Zusammenhang stehe.

Zum einen liege kein Betriebssport vor, der eine gewisse Regelmäßigkeit und das Ziel gesundheitlichen Ausgleichs voraussetze. Der Firmenlauf finde nur einmal jährlich statt und habe, auch wenn es sich um keinen Hochleistungssport handle, den Charakter eines Wettstreits.

Keine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung
Zum anderen habe es sich bei dem Firmenlauf auch nicht um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt. Der Firmenlauf habe als Großveranstaltung mit anschließender Party vielen anderen Unternehmen und Einzelbewerbern offengestanden und eher den Charakter eines Volksfestes gehabt.

Nur geringe Teilnehmerzahl
Außerdem habe nur ein ganz geringer, sportlich interessierter Teil der Mitarbeiter des Unternehmens am Firmenlauf teilgenommen. Es habe gerade kein spezielles Programm für den großen Teil der nichtlaufenden Beschäftigten gegeben. Daher habe das Laufevent auch nicht den betrieblichen Zusammenhalt gefördert. Zwar sei im Betrieb für die Teilnahme am Firmenlauf geworben worden und der Arbeitgeber habe die Startgebühr übernommen sowie Lauf-Shirts mit dem Firmenlogo zur Verfügung gestellt. Das alles führe aber zu keiner abweichenden Bewertung.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Quelle | LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.3.2023, L 3 U 66/21, Abruf-Nr. 234577 unter www.iww.de

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Bundesarbeitsgericht: Wann verjährt der Anspruch auf Urlaubsabgeltung?

| Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, nicht genommenen Urlaub nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten, unterliegt der Verjährung. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt in der Regel mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Endete das Arbeitsverhältnis vor der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 6.11.2018 und war es dem Arbeitnehmer nicht zumutbar, Klage auf Abgeltung zu erheben, konnte die Verjährungsfrist nicht vor dem Ende des Jahres 2018 beginnen. |

Das war geschehen
Die Beklagte betreibt eine Flugschule. Sie beschäftigte den Kläger seit dem 9.6.2010 als Ausbildungsleiter, ohne ihm seinen jährlichen Urlaub von 30 Arbeitstagen zu gewähren. Unter dem 19.10.2015 verständigten sich die Parteien darauf, dass der Kläger in der Folgezeit als selbstständiger Dienstnehmer für die Beklagte tätig werden sollte. Mit der im August 2019 erhobenen Klage verlangte der Kläger u. a. Abgeltung von Urlaub aus seiner Beschäftigungszeit vor der Vertragsänderung. Die Beklagte erhob die Einrede der Verjährung.

So sahen es die Gerichte
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte beim Bundesarbeitsgericht (BAG) Erfolg, soweit er die Beklagte auf Abgeltung von Urlaub aus den Jahren 2010 bis 2014 in Anspruch nahm. Bezogen auf Urlaubsabgeltung für das Jahr 2015 blieb sie erfolglos.

Urlaubsansprüche können verjähren. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt jedoch erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch informiert und ihn im Hinblick auf Verfallfristen aufgefordert hat, den Urlaub tatsächlich zu nehmen. So hatte es das BAG bereits früher entschieden. Hat der Arbeitgeber diesen Mitwirkungsobliegenheiten nicht entsprochen, kann der nicht erfüllte gesetzliche Urlaub aus möglicherweise mehreren Jahren im laufenden Arbeitsverhältnis weder verfallen noch verjähren und ist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten.

Der Urlaubsabgeltungsanspruch unterliegt ebenfalls der Verjährung. Die dreijährige Verjährungsfrist für den Abgeltungsanspruch beginnt in der Regel am Ende des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es auf die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten ankommt. Die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses bildet einen Einschnitt. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist anders als der Urlaubsanspruch nicht auf Freistellung von der Arbeitsverpflichtung zu Erholungszwecken unter Fortzahlung der Vergütung gerichtet, sondern auf dessen finanzielle Kompensation beschränkt. Die strukturell schwächere Stellung des Arbeitnehmers endet mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Bei einer verfassungs- und unionsrechtskonformen Anwendung der Verjährungsregelungen kann die Verjährungsfrist nicht beginnen, solange eine Klageerhebung aufgrund einer gegenteiligen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zumutbar ist. Vom Kläger konnte bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Oktober 2015 nicht erwartet werden, seinen Anspruch auf Abgeltung des bis dahin nicht gewährten Urlaubs aus den Jahren 2010 bis 2014 gerichtlich durchzusetzen. Das BAG ging zu diesem Zeitpunkt nämlich noch davon aus, dass Urlaubsansprüche mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums unabhängig von der Erfüllung von Mitwirkungsobliegenheiten automatisch verfielen. Erst, nachdem der EuGH in 2018 neue Regeln für den Verfall von Urlaub vorgegeben hatte, war der Kläger gehalten, Abgeltung für die Urlaubsjahre von 2010 bis 2014 gerichtlich geltend zu machen.

Demgegenüber ist der Anspruch des Klägers auf Abgeltung von Urlaub aus dem Jahr 2015 verjährt. Schon auf Grundlage der früheren Rechtsprechung musste der Kläger erkennen, dass die Beklagte Urlaub aus diesem Jahr, in dem das Arbeitsverhältnis der Parteien endete, abgelten musste. Die dreijährige Verjährungsfrist begann deshalb Ende des Jahres 2015 und endete mit Ablauf des Jahres 2018. Der Kläger hat die Klage aber erst im Jahr 2019 erhoben.

Quelle | BAG, Urteil vom 31.1.2023, 9 AZR 456/20, PM 5/23

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Rettungsassistent: „Gleiche Arbeit, gleicher Lohn“: Lohngleichheit bei Teilzeitbeschäftigung

So regelte der Arbeitgeber die Arbeitszeiten

Der Kläger ist als Rettungsassistent im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses bei der Beklagten tätig. Diese führt im Auftrag eines Rettungszweckverbands u. a. Notfallrettung und Krankentransporte durch.

Sie beschäftigt – nach ihrer Diktion – sog. „hauptamtliche“ Rettungsassistenten in Voll- und Teilzeit, denen sie im Streitzeitraum eine Stundenvergütung von 17,00 Euro brutto zahlte. Daneben sind sog. „nebenamtliche“ Rettungsassistenten für sie tätig, die eine Stundenvergütung von 12,00 Euro brutto erhalten. Hierzu gehört der Kläger.

Die Beklagte teilt die nebenamtlichen Rettungsassistenten nicht einseitig zu Diensten ein, diese können vielmehr Wunschtermine für Einsätze benennen, denen die Beklagte versucht, zu entsprechen.

Ein Anspruch hierauf besteht allerdings nicht. Zudem teilt die Beklagte den nebenamtlichen Rettungsassistenten noch zu besetzende freie Dienstschichten mit und bittet mit kurzfristigen Anfragen bei Ausfall von hauptamtlichen Rettungsassistenten um Übernahme eines Dienstes.

Im Arbeitsvertrag des Klägers ist eine durchschnittliche Arbeitszeit von 16 Stunden pro Monat vorgesehen. Darüber hinaus ist bestimmt, dass er weitere Stunden leisten kann und verpflichtet ist, sich aktiv um Schichten zu kümmern.

Das verlangte der Arbeitnehmer

Mit seiner Klage hat der Arbeitnehmer zusätzliche Vergütung in Höhe von 3.285,88 Euro brutto für die Zeit von Januar 2020 bis April 2021 verlangt. Er hat geltend gemacht, die unterschiedliche Stundenvergütung im Vergleich zu den hauptamtlichen Mitarbeitern stelle eine Benachteiligung wegen seiner Teilzeittätigkeit dar.

Die Beklagte hält die Vergütungsdifferenz für sachlich gerechtfertigt, weil sie mit den hauptamtlichen Rettungsassistenten größere Planungssicherheit und weniger Planungsaufwand habe. Diese erhielten zudem eine höhere Stundenvergütung, weil sie sich auf Weisung zu bestimmten Diensten einfinden müssten.

So sahen es die Gerichte

Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des ArbG geändert und die Beklagte verurteilt, die geforderte Vergütung zu zahlen.

Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Das LAG hat danach richtig erkannt, dass die im Vergleich zu den hauptamtlichen Rettungsassistenten geringere Stundenvergütung den Kläger ohne sachlichen Grund benachteiligt.

Die haupt- und nebenamtlichen Rettungsassistenten sind gleich qualifiziert und üben die gleiche Tätigkeit aus. Der von der Beklagten pauschal behauptete erhöhte Planungsaufwand bei der Einsatzplanung der nebenamtlichen Rettungsassistenten bildet keinen sachlichen Grund dafür, die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen.

Es ist bereits nicht erkennbar, dass dieser Aufwand unter Berücksichtigung der erforderlichen „24/7-Dienstplanung“ und der öffentlich-rechtlichen Vorgaben zur Besetzung der Rettungs- und Krankenwagen signifikant höher ist.

Höhere Stundenvergütung, weil Schichten nicht abgelehnt werden können,…

Auch wenn man unterstellt, dass die Beklagte durch den Einsatz der hauptamtlichen Rettungsassistenten mehr Planungssicherheit hat, weil sie diesen einseitig Schichten zuweisen kann, ist sie hierbei jedoch nicht frei.

Sie unterliegt vielmehr u. a. durch das Arbeitszeitgesetz vorgegebenen Grenzen in Bezug auf die Dauer der Arbeitszeit und die Einhaltung der Ruhepausen. Die nebenamtlichen Rettungsassistenten bilden insoweit ihre Einsatzreserve.

… ist nicht gerechtfertigt

Unerheblich ist, dass diese frei in der Gestaltung der Arbeitszeit sind. Die Beklagte lässt insoweit unberücksichtigt, dass diese Personengruppe weder nach Lage noch nach zeitlichem Umfang Anspruch auf Zuweisung der gewünschten Dienste hat.

Dass sich ein Arbeitnehmer auf Weisung des Arbeitgebers zu bestimmten Dienstzeiten einfinden muss, rechtfertigt in der gebotenen Gesamtschau keine höhere Stundenvergütung gegenüber einem Arbeitnehmer, der frei ist, Dienste anzunehmen oder abzulehnen.

Quelle | BAG, Urteil vom 18.1.2023, 5 AZR 108/22, PM 3/23

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